Galerist und Künstler aus Berlin, Laudatio Johannes Gräbner, Berlin-Steglitz, 6.11.2021
Sehr geehrte Damen und Herren,
Hanna Becker – als Galeristin und Mäzenin – hat mich gebeten, ein paar einleitende Worte zu den künstlerischen Arbeiten Johannes Gräbners zu sagen.
Dem komme ich hiermit gerne nach, räume aber ein, dass ich den jungen Künstler aus Thüringen erst an dem stürmischen Donnerstag dieser Woche kennengelernt habe, hier, in Hannas Reich, zwischen zahlreichen Kartons, Luftpolsterfolie, Teetassen und Sahnetörtchen.
[…] Ich war überrascht von der Vielzahl der Exponate und ihren auffälligen Größenunterschieden – z.B. zwischen einem Klassenbild aus der Schulzeit und der Darstellung einer kleinen Schieferplatte, von der Verwendung z.T. ungewöhnlicher Mal- und Grundierstoffe, wie Bitumen und Lehm.
Die Grenzen zwischen Malerei, Relief, Plastik, Assemblage, Collage und dem, was es sonst so gibt, schienen aufgelöst oder zumindest offen. Gemalte Gegenstände werden auf eigens präparierte Untergründe transponiert und dort, wie man so schön modern sagt, verortet. Im Zweifel sollte man etwas weniger ungenau als sonst hinsehen, um Irrtümer auszuschließen.
Johannes Gräbners Strategie hat mich etwas an die Zauberkünstler erinnert, die ich als Kind oder Erwachsener kennen gelernt habe. Sie verstanden es auf geheimnisvolle Art und Weise, Illusionen zu wecken, um sie dann wieder verschwinden zu lassen.
Kommen wir, streiflichtartig, zu einigen Exponaten.
Als Erstes ausgepackt war die mit geübtem Kettensägenschnitt gefällte Fichte im elterlichen Garten, nebst Sägemehl, umgeben von romantisch sich auflösendem nebulösen Landschaftspanorama, ein wenig an Arbeiten Caspar David Friedrichs erinnernd. Die Landschaft ist heil, die Fichte nicht. Was das in uns auflöst, lasse ich hier in diesem Raume, als Frage stehen.
Spuren von Fichtenleben sind auch eingefangen in dem Materialbild Waldboden [Elysium]. Im Geäst und Genadel ist, als Götterunke, eine kleine Glaskugel des Glaskünstlers Christian Sachs versteckt.
Das Thema Schwangerschaft wird expressiv in einer großformatigen figürlichen Arbeit auf packpapierfarbenem Malgrund thematisiert [Frau in weiß]. Das Element der Maskierung – Quarkmaske – wird als Mittel der Verfremdung genutzt.
Im Bild Haut und Haar setzt sich das Interesse an der Auseinandersetzung mit Stofflichkeit fort. Die Darstellung beschränkt sich auf die Wiedergabe ausgewählter figürlicher Elemente.
Ein collagierter Spielzeugbär könnte Relikt aus der Kindheit sein, ein aktuell gemalter Mund-Nasenschutz – sprich: Maske – wird auf maskierter Leinwand gemalt.
Die Maske, das Maskieren, spielt, wie wir sehen, in der Arbeit Johannes Gräbners eine wiederkehrende Rolle. So ist auch die Büste aus rotbrennenden Ton maskiert durch den Auftrag einer weißen Engobe.
Der Blick wandert weiter bis zum vorderen Ende eines Besens mit Haaren und Stauflusen, zum Portrait des Musikers Rolf Kühn zu anderen, z.T. der Familie angehörenden Figuren. Es entsteht ein bizarres Miteinander von Motiven in der Art einer Wunderkammer.
Hier beende ich meine Schilderung und man könnte sich die Frage stellen, was sich hinter der Vielzahl verbirgt. Die Suche nach sich selbst und Authentizität? Freude am Spiel und Verwandeln und Verkleiden? Unbändiger Forschungsdrang, Experimentierfreude, Ausloten von Grenzen?
Vielleicht von allem etwas und wie viel davon, weiß der Erzeuger dieser Arbeiten allein.
Mir war auch nach kurzer Begegnung klar: hier treffe ich jemanden, dem künstlerische Arbeit großes Anliegen und Leidenschaft ist, und, egal wohin die künstlerische Reise geht, wir werden von Johannes Gräbner noch viel sehen und hören.
In diesem Sinne bedanke ich mich bei Ihnen allen fürs Zuhören und wünsche alles Gute für die Zukunft.